Kleine Zeittafel:
Tiefbunker Reeperbahn

Man sieht es ihr nicht an –
aber die Tiefgarage unter dem Spielbudenplatz ist eine Besonderheit.

Sie erinnert an eines der dunkelsten Kapitel der Geschichte:
das nationalsozialistische Deutschland und den Zweiten Weltkrieg.

1939

1939, wenige Monate vor Kriegsausbruch, war man im Deutschen Reich optimistisch genug, eine umfassende Neugestaltung Hamburgs in Auftrag zu geben. Damit betraut wurde der Architekt Konstanty Gutschow. Nach seinen Plänen sollten St. Pauli Süd und Teile der benachbarten Neustadt zugunsten einer Elbufer-Autobahn weitgehend abgerissen werden. St. Pauli sollte ein „modernes Gesicht bekommen“, denn es sollte künftig das Amüsierviertel des nationalsozialistischen Deutschlands sein. 

Eine naheliegende Idee, denn St. Pauli hatte damals Besucherrekorde zu verzeichnen – nicht zuletzt deshalb, weil die Schiffe der NS-Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) im Hamburger ablegten, was tausende Touristen für einen Reeperbahnbummel an Land nutzten.

Vor diesem Hintergrund war es auch durchaus schlüssig, eine Tiefgarage für den Spielbudenplatz vorzusehen, in denen 430 PKW Platz finden sollten. Mit Entwurf und Planung wurde wiederum Gutschow beauftragt.

Der Kriegsausbruch verhinderte die Realisierung der ehrgeizigen Stadtumbau-Pläne. Gutschows Büro musste umdisponieren – es unterstand nun dem „Amt für kriegswichtigen Einsatz“. Anstelle repräsentativer Neubauten mussten Luftschutzbunker konstruiert und errichtet werden – angepasst an die jeweilige Umgebung als Hoch- oder eben als Tiefbunker ausgeführt.

Für den Spielbudenplatz als ein stark frequentiertes und pulsierendes Zentrum des Vergnügungsviertels war  Bunker für besonders viele Schutzsuchende nötig: 6.000 Menschen sollten hier Platz finden. Gleichzeitig waren die Pläne für das St. Pauli der späteren Friedenszeiten nicht vom Tisch. So wurde zu einer speziellen Lösung gegriffen:  Der Tiefbunker sollte so gebaut und eingerichtet werden, dass er nach Kriegsende ohne größere Mühen  zur Tiefgarage umfunktioniert werden konnte.


Anfang 1940

Am 11.12.1940 erfolgte der erste Spatenstich. Schon Wochen zuvor konnten Anrainer die Vorarbeiten auf dem Terrain mitverfolgen: Eine Tankstelle und eine öffentliche Toilettenanlage wurden abgerissen, der Verkehr auf der Reeperbahn musste umgeleitet werden – mit Ausnahme der Straßenbahn, die man für künftige Materialtransporte zur Baustelle verwenden würde. 

Im November 1941 hatten knapp 220 Arbeiter, darunter rund 40 Gefangene, die ersten beiden von insgesamt fünf Bauabschnitten fertig gestellt und die Behörde erteilte die Genehmigung zur Teilnutzung für 1.500 Menschen. Architekt Richard Laage wurde beauftragt, die Gestaltung der oberirdischen Eingänge und Splitterschutzdächer zu übernehmen.

Am 28.1.1943 schließlich war der Bau abgeschlossen und konnte am 30.1.1943 gänzlich in Betrieb genommen werden.  Fortan befand sich unterhalb des Spielbudenplatzes ein 2 geschossiger Tiefbunker von 200m Länge und 21.40m Breite sowie einer Wandstärke von 1,80m und einer Deckenstärke von 1,40m – entsprechend den damaligen Richtlinien für den Bau von Luftschutzräumen.

Um beruhigend auf die 6.000 Schutzsuchenden einzuwirken, wurden die Innenwände in den Aufenthaltsräumen und den Treppenhäusern mit Wandbildern versehen. (Die Künstler: Hans Förster und Walter Pöhls) Die Motive waren regional und „volksnah“ gewählt, auf „kämpferischen Pathos“ wurde verzichtet, man wählte stattdessen nettere Szenen wie z.B. vom Hamburger Dom, Darstellungen Hamburger Originale wie den Wasserträger Hummel oder hübsche Vierländerinnen in ihrer markanten Tracht oder die Bürgerwache anno 1650. Humoristische Sprüche sollten helfen, vom beängstigenden Geschehen in der Außenwelt abzulenken und die Bomben vergessen zu lassen – ganz so, als wäre an der sogenannten „Heimatfront“ alles im Lot... (Die Bilder sind heute nicht mehr vorhanden)

In den verheerenden Bombennächten des Juli 1943 pressten sich rund 20.000 Menschen in den Tiefbunker. Dass es dem diensthabenden Bunkerwart gelang, den Ausbruch einer Panik zu verhindern, ist bemerkenswert, denn die massive Überbelegung führte u. a zu einem Ausfall der Belüftungsanlage, sodass per Hand und Kurbel für Frischluftzufuhr gesorgt werden musste – die Anlage war eben „nur“ für 6.000 Menschen ausgelegt.


Nach 1945

Nach 1945 war der Luftschutzraum zunächst obsolet geworden. Dennoch wurde nicht sofort der Umbau zur Garage in Angriff genommen – die Wohnraumknappheit machte es notwendig zu prüfen, ob denn auch im Tiefbunker Notunterkünfte eingerichtet werden konnten. Die zuständige Behörde blieb diesbezüglich aber zögerlich, da ihr der Bunker für eine dauerhafte Bewohnung nicht geeignet schien. Eine andere Idee zur Zwischennutzung stammte von Gewerbetreibenden rund um den Spielbudenplatz: Man könnte im Bunker eine Art „unterirdischen Dom“ mit Schießbuden und Würstelständen einrichten – denn die Häuser und Lokale rund um den Spielbudenplatz waren größtenteils komplett zerbombt. Doch auch daraus wurde nichts.


Nach 1948

1948 wurde die Fläche über den Bunker für die Nutzung einer Tankstelle ausgeschrieben. Schon während des Krieges hat auf dem westlichen Teil des Spielbudenplatzes eine Tankstelle gestanden. Jetzt wurde die östliche Fläche ausgeschrieben. Auflage zur Errichtung und Betreibung einer Tankstelle auf dieser Fläche war es. Den Bunker für die Nutzung als Tiefgarage herzurichten.  Hierfür mussten die Zwischenwände und zum Teil auch Schutzwände entfernt werden.

Für die enormen hohen Kosten musste der Tankstellenbetreiber aufkommen.

1949 haben zwei Tankstellenbetreiber von der Sternschanze die Ausschreibung gewonnen. Es entstand die Firma Reeperbahngaragen Müller und Schütze, die Finanzierung wurde durch die Esso AG gesichert und der Ausbau begann.

Auf dem Spielbudenplatz bauten die Betreiber eine Esso Tankstelle mit einer Autopflegehalle und der Bunker wurde zur Tiefgarage für 200 Pkws. Die Esso Station musste Mitte der sechziger Jahre auf das benachbarte Grundstück Spielbudenplatz/Taubenstraße umziehen. Dort wurde die Esso Tankstelle bis Ende 2013 betrieben.


Heute

Die Tiefgarage wurde 2006 im Zuge der Neugestaltung des Spielbudenplatzes komplett saniert. Die Schutzdächer bei den Ein- und Ausfahrten wurde abgebrochen und zwei neue Treppenhäuser eingefügt.

Durch den Einbau von Schnellaufrolltoren, einem Zutrittskontrollsystem und einer Videoüberwachungsanlage ist die Garage zu einer der sichersten Tiefgaragen in ganz Hamburg geworden.

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